Abtei Michaelsberg
Das richtige Maß – wie im Sinne der Regula Benedicti ein modernes geistiges Zentrum geschaffen wurde
  • Ort
    Siegburg
  • Objekt
    Umbau und Sanierung einer denkmalgeschützten Abtei mit Neubau eines Tagungshauses
  • Verfahren
    Wettbewerb (1. Preis, 2012)
  • Bauherrin
    Erzbistum Köln
  • Entwurfsverfasser
    Caspar Schmitz-Morkramer
  • Planungs- und Bauzeit
    2013–2017
  • Leistungsphasen
    1–9
  • Brutto-Grundfläche
    25.000 m²
  • Projektsteuerung
    WSP Deutschland
  • TGA
    TEN Ingenieure
  • Tragwerksplanung
    Finck Billen
  • Brandschutzplanung
    GEHLEN
  • Freiraumplanung
    FSWLA
  • Bauphysik
    ISRW-Klapdor
  • Vermesser
    Vermessungsbüro Koch
  • Bodengutachter
    Ingenieurbüro Vogt
  • Küchenplanung
    PWK Planungsbüro Weller-Küttner
  • Lichtplanung
    Licht Kunst Licht
  • Auszeichnungen
    Architizer A+ Award 2020;
    International Design Awards 2019;
    German Design Award 2018;
    mipim Award 2018 (Special Jury Award);
    mipim Award 2018 (Best Hotel and Tourism Resort);
    Architecture MasterPrize 2018;
    Iconic Awards 2017
  • Fotografische und filmische Dokumentation
    HGEsch
  • Dieses Projekt stammt aus der gemeinsamen Zeit von meyerschmitzmorkramer.

Der Welt entrückt und Gott ein Stück näher. In der Tradition des heiligen Benedikt gründete Abt Anno vor fast 1.000 Jahren die Abtei auf dem Michaelsberg. Eng verbunden mit der zu ihren Füßen wachsenden Stadt Siegburg, wurde sie zeitweise wenig spirituell als Kaserne, Zuchthaus oder Lazarett genutzt. 2011 verabschiedeten sich die Benediktiner vom Michaelsberg. Das Erzbistum Köln wünschte sich dort ein neues, wirtschaftlich zu betreibendes geistliches Zentrum. Anfang 2017 verlegte das Katholisch-Soziale Institut (KSI) aus Bad Honnef seinen Sitz in die von uns sanierte und erweiterte denkmalgeschützte Abtei und fügte ihrer Geschichte ein weiteres Kapitel hinzu. Auf etwa 400 Veranstaltungen empfängt das KSI in dem Tagungszentrum mit Hotel, Restaurant und Konferenzsälen jedes Jahr rund 21.000 Gäste. Ganz anders als vormals die Benediktiner findet sich die Gemeinschaft auf dem Michaelsberg heute jeden Tag neu, ist offen. Doch an der Aussage des über allem Weltlichen stehenden Gesamtbildes aus Landschaft und Baudenkmal ändert die zeitgemäße Fortschreibung wenig, diese Haltung überzeugte schon im Wettbewerb.

In die Höhe und in die Tiefe

Auf mächtigen mittelalterlichen Stützmauern thront die Abtei gut 17 Meter über dem Vorplatz. Zu ihren Füßen steht eigenständig der Neubau des Forums wie ein kleiner Bruder. Dazwischen bleibt eine Fuge, die die respektvolle Distanz beschreibt. Überwunden wird sie punktuell mit zwei verglasten Brücken. Auch der Neubau scheint direkt aus dem Fels zu wachsen, seine Oberfläche aus hellgrau-sandfarbenem Dolomit, ist im Sockel roh gespalten, oben als Gebäudehülle glattgeschliffen.

Die trichterförmige Eingangshalle ist ein Einschnitt ins Massiv. Das Ankommen ist wichtig, so legen Besucher:innen die letzten Höhenmeter barrierefrei im Glasaufzug oder offenen Treppenhaus zurück, die in einem gläsernen Pavillon münden. Der Blick schweift in die Ferne, die Abtei ist plötzlich ganz nah. An der Schnittstelle von Forum und Kloster liegt das Atrium, hier scheiden sich Teilnahme und Rückzug.

In drei Flanken der Klosteranlage, die die Kirche St. Michael umschließen, befinden sich auf drei Etagen außer verschiedenen Seminarräumen 120 Gästezimmer. Die Einzel- oder Doppelzimmer sind mit eigens entworfenen Möbeln und Farbkonzept individuell und freundlich-funktional eingerichtet, klösterlich ist der Verzicht auf Unnötiges, auf Muster und Dekor. Kleine Sitznischen, der Kreuzgang und der begrünte Kreuzhof laden ein zum kontemplativen Verweilen. Mit nur zwei Materialien (Eichenholz und Naturstein) und drei Farben (Mitternachtsblau, Ochsenblutrot und Senfgelb) ließ sich die Atmosphäre feinfühlig fortschreiben.

Orientierung geben

Die Nutzungen des Forums sind an der Gestaltung der Fassade ablesbar. Der steinerne Sockel, in dem eine zweigeschossige Garage verborgen ist, bildet eine solide Basis, während der gläserne Pavillon zur Krone des Gebäudes wird. Kein Ornament, alles ist klar und kantig, die Aussicht ist frei. Die darunter liegenden Ebene, in der Ansicht ein steinernes Band, mit einer rhythmischen Gliederung aus großen liegenden Panoramafenstern und schmalen stehenden Öffnungen, bilden mit dem Restaurant und vier Tagungsräumen das Herzstück des Forums. Die Verwaltung nutzt die darunterliegende Etage, in der Ansicht ein gläsernes Band. Auch hier klingt der Grundton des harmonischen Materialkanons aus hellem Holz und Stein in jedem Raum, in jeder Ansicht mit. Hier bleibt man bei der Sache, bleibt bei sich. Discretio, wie der heilige Benedict sie forderte, lässt sich also immer noch auf diesen Ort übertragen, in diesem Fall meint sie die Fähigkeit zu differenzieren, dafür ist ein gewisser Abstand – in der Höhe oder hinter dicken Mauern – oft sehr hilfreich.

Projektteam
  • Annegret Kufferath
  • Julia Dobritz
  • Lars Göpfert
  • Tobias Goße
  • Fernando González Cardero
  • Beate Groß
  • Eike Heidelberg
  • Roland Hinz
  • Katja Holland
  • Jan Jermer-Urban
  • Klaus Kirchner
  • Marcus Leinwand
  • Ingwer Luck
  • Kristina Rhiemeier
  • Milena Trzcinska
  • Jiqing Zhang